Wohnraum als fotografische Parallelprojektion
Auf einer motorisierten Schiene wird die Kamera parallel zum Raum gleichmäßig bewegt und dabei ein Video aufgenommen. Die Kamera funktioniert dabei quasi als Scanner, scannt also den Raum ab und nimmt dabei, wie üblich, 30 Bilder pro Sekunde auf. Allerdings wird von jedem einzelnen Videoframe immer nur der 1Pixel breite, vertikale Streifen aus der Mitte jedes Bildes entnommen, und diese Streifen zu einem neuen Bild zusammengefügt. Die Projektionsstrahlen in der Mitte des Bildes haben die Besonderheit, orthogonal zur Kamerabewegung zu verlaufen. Da die Projektionsstrahlen der entnommenen Bildfragmente zueinander parallel sind, ist das resultierende Bild eine präzise Parallelprojektion.
Dies hat zur Folge, dass geometrische Formen in den Bildern erhalten bleiben, wie beispielsweise die Teppiche mit rechteckiger Grundfläche, die in einer zentralperspektivischen Aufnahme verzerrt, also als Trapez dargestellt werden. Außerdem werden im Raum horizontal und vertikal verlaufende Linien auch Bildparallel aufgenommen. Der Raum wird horizontal unverzerrt abgebildet, wohingegen nach Unten und Oben immer noch eine zentralperspektivische Verzerrung zu sehen ist. Das Format der fertigen Aufnahme ist in der Höhe durch die Sensorhöhe vorgegeben und in der Breite durch die Breite des abgebildeten Raumes. Daher variiert die Breite der ausgestellten Fotos. Mit dieser Technik wurden die Wohnräume im Ikea Einrichtungshaus (Hanau) abgelichtet. Der inszenierte Wohnraum im Einrichtungshaus soll den Kunden dazu einladen die Möbel in einer Wohnsituation zu erleben und den Wunsch wecken ebenfalls in einer solchen idealisierten Wohnung zu leben. Diese Inszenierung wird durch die Parallelprojektion der Aufnahme zumindest ein Stück weit offensichtlich gemacht. Wir sehen die Decke, den Gang und die fehlende Vierte Wand.
Im Gegensatz zum inszenierten Wohnraum im Einrichtungshaus erfüllt der echte Wohnraum immer eine Funktion. Nicht immer ist die äussere Erscheinung eines privaten Wohnraums, der in erster Linie dem Schlafen, Essen oder Arbeiten dient, das Wichtigste. Die Aufnahmen nehmen die Perspektive des vorbeilaufenden Betrachters ein, für den diese Räume inszeniert worden sind, der aber nicht in den Raum eindringt und auf seine Funktionalität untersucht. Erst beim Betreten eines Raums erschliesst sich dessen Funktionalität. Wie in der Werbung wird der Besucher des Einrichtungshauses dabei immer wieder daran erinnert, das der eigene, echte Wohnraum meist eher weniger den vorgestellten Idealwohnungen entspricht. Stattdessen macht diese ScanAufnahme, durch die fehlende horizontale Verzerrung auf bestimmte Gestaltungsstrategien aufmerksam, s.Bsp. Symmetrien. Dadurch wird der Aspekt der Inszenierung der einzelnen Räume deutlich, und erinnert an ein Theater.
Aus dem Theater kennt man auch die Idee der fehlenden Vierte Wand: dem Betrachter wird die Inszenierung so gezeigt, als würde die Wand existieren. Vergleichbar verhält es sich mit den in den Bildern abgebildeten Wohnräumen. Durch die Verweigerung der horizontalen Zentralperspektive und der damit einhergehenden Verflachung des Bildes, verschränken sie sich dem Betrachter und lassen ihn nicht tiefer in den Raum eindringen und umschauen.